Zwischen Pragmatismus und Perspektivwechsel: KI in der Schule

Isabell van Ackeren-Mindl, Universitätsprofessorin für Bildungssystem- und Schulentwicklungsforschung

Die Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) in der Schule ist nicht neu – aber sie hat in den letzten zwei Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Besonders die generativen Sprachmodelle, wie ChatGPT, bringen Fragen mit sich, die über reine Technik hinausgehen. Sie betreffen zentrale pädagogische Prinzipien: Wie bewerten wir Leistung? Welche Rolle nehmen Lehrkräfte ein? Und wie kommen wir von vereinzelten Leuchtturmprojekten zu einer breiteren Akzeptanz – auch in Kollegien, die sich mit technologischen Neuerungen eher schwertun?

Prüfen unter veränderten Bedingungen

Ein Aufsatz, der in Minuten generiert wurde – darf er benotet werden? Oder besser: Wie lässt er sich angemessen bewerten? Solche Fragen begegnen Lehrkräften inzwischen im Schulalltag. Das zeigt: Wir brauchen eine Prüfungskultur, die nicht an der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler vorbeigeht. Damit ist nicht nur der schulische Alltag gemeint, sondern auch das zukünftige Leben in einer digital geprägten Welt. Der reflektierte Umgang mit KI wird zur Schlüsselkompetenz – in Ausbildung, Beruf und Alltag: etwa beim Schreiben von Bewerbungen, in der Gesundheitsvorsorge, beim Online-Shopping oder beim Einordnen politischer Debatten, die zunehmend durch KI beeinflusst werden. Leistungsbewertung muss zukünftig stärker die Fähigkeit in den Blick nehmen, mit KI bewusst umzugehen – sie zu steuern, Ergebnisse einzuordnen, kritisch zu reflektieren (vgl. auch das Impulspapier der SWK aus dem vergangenen Jahr). Prüfungen, die Präsentation, Dialog und Prozessbewertung einbeziehen, sind dafür besser geeignet als klassische Hausaufgabenformate. Dabei gilt aber auch: Nicht alles muss neu gedacht werden. In manchen Kontexten bleibt der Fokus auf der individuellen Leistung weiterhin sinnvoll – etwa beim Schreiben unter Klausurbedingungen.

Lehrkräfte als Gestaltende digitaler Lernräume

Dass KI Texte zusammenfassen oder Unterrichtsideen vorschlagen kann, entlastet. Aber das reicht nicht. Lehrkräfte brauchen mehr als Toolwissen. Sie müssen entscheiden können, wann ein Einsatz lernförderlich ist – und wann nicht. Dazu gehört ein solides Verständnis dafür, wie generative KI funktioniert, welche ethischen und datenschutzrechtlichen Fragen sie aufwirft, aber auch, wie Schülerinnen und Schüler damit umgehen. Das verändert das Selbstverständnis der Profession. Viele Lehrkräfte möchten sich (weiter) auf den Weg machen. Dabei braucht es Fortbildungen, die über technische Einführungskurse hinausgehen. Formate, in denen gemeinsam ausprobiert, reflektiert und angepasst wird. Schule sollte sich dabei nicht mit bloßer Anwendungskompetenz zufriedengeben, sondern sie sollte einen Beitrag zur digitalen Mündigkeit leisten (vgl. Positionspapier der Gesellschaft für Informatik).

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Widerstände ernst nehmen – und Räume öffnen

Volle Lehrpläne, Fachkräftemangel, Inklusion… – in vielen Schulen sind die Baustellen groß. Wer hier mit KI ‚on top‘ kommt, muss mit berechtigter Skepsis rechnen. Umso wichtiger ist es, tragfähige Erprobungsräume zu schaffen (vgl. auch KMK, 2024). Kollegien, die Zeit erhalten, neue Technologien auszuprobieren, bestenfalls mit Begleitung durch das pädagogische Unterstützungssystem in Kooperation mit Wissenschaft und ausreichend technischer Infrastruktur und datenschutzrechtlich abgesicherten Lösungen. Entscheidend dürfte sein, dass KI als pädagogisches Werkzeug mit vielfältigem Potenzial für das Lernen erlebbar ist. Sie kann dabei helfen, Lernprozesse individueller zu gestalten – etwa durch binnendifferenzierte Aufgabenstellungen, adaptive Lernhilfen oder sprachliche Unterstützung in heterogenen Klassen. Gleichzeitig sollte KI nicht nur eingesetzt, sondern auch thematisiert werden: als Gegenstand des Unterrichts, um Funktionsweisen, Chancen und Risiken zu verstehen – und so die digitale Mündigkeit zu fördern.

Fazit

KI verändert das schulische Lernen – nicht durch ein einziges Tool, sondern durch ein neues Zusammenspiel von Mensch, Technologie und pädagogischem Anspruch. Wie Schule darauf reagiert, ist keine rein technische Frage. Es ist eine Gestaltungsaufgabe und eine Frage der Haltung. Das Ziel bleibt dabei gleich: eine Schule, die alle Lernenden fördert und auf ein Leben in einer digital geprägten Welt vorbereitet – kompetent, gerecht und zukunftsorientiert.